Nach der Ruhe des Sommers kommt allmählich wieder Dynamik in die Finanzmärkte. Wie ist die Stimmung zum Monatsanfang in New York?
Der Monatsauftakt an der Wall Street war verhältnismässig entspannt. Es ist wieder etwas Inflationsdruck aufgekommen, weil der Ölpreis deutlich gestiegen ist. Das hat vor allem damit zu tun, dass Saudi-Arabien die Senkung der Förderquote weiterhin hinauszögert. Etwas überrascht bin ich dennoch, denn der Ölpreis richtet sich nicht nur nach dem Angebot, sondern auch nach der Nachfrage. Und einer der grössten Ölverbraucher der Welt – China – kämpft zurzeit mit grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, was die Nachfrage nach Rohöl eher dämpft. Ich bin also gespannt, ob das passiert, was hier an der Börse diskutiert wird – nämlich, dass der Ölpreis wieder über 100 Dollar pro Barrel steigt.
Bewegung gibt es auch im Technologiestreit zwischen den USA und China. Offenbar kommt China bei der Entwicklung eigener Halbleiterchips schneller voran, als die USA angenommen hatten. Was hört man dazu an der Börse?
In gewisser Weise erleben wir hier einen zweiten Sputnik-Moment. Das chinesische Technologieunternehmen Huawei scheint auch ohne die Halbleiterchips, bestückt mit der 5G-Technologie aus ausländischer Produktion, Smartphones bauen zu können, die einem Apple-Gerät ebenbürtig und 5G-fähig sind. Das jedenfalls hat Huawei letzte Woche angekündigt und damit in den USA für Furore gesorgt. Denn die Regierung Trump hat damals mit Sanktionen zu verhindern versucht, dass chinesische Smartphone-Produzenten ihre Geräte mit dem neusten 5G-Standard und entsprechend leistungsfähigen Halbleiterchips ausstatten können.
Nach der angekündigten Lancierung der Huawei-Geräte und einer weiteren Meldung aus China, dass man diversen Behörden und staatlichen Stellen die Verwendung von iPhones untersagen will, hat Apple innerhalb von zwei Tagen 200 Milliarden US-Dollar an Marktwert verloren. Diese Kombination, also die Ankündigung von Huawei, dass man künftig auf eigene Halbleiterchips der neusten Generation setzen will und ein staatlich angeordnetes, partielles iPhone-Verbot im riesigen Markt China, könnte durchaus zu einer Herausforderung für die gesamte US-Halbleiterindustrie werden.
In den USA steht der nächste Zinsentscheid an. Gibt es eine weitere Zinserhöhung in den USA?
Nach aktuellem Stand wird es keine Zinserhöhung geben. Bei den Arbeitsmarktdaten haben wir zuletzt einen deutlichen Anstieg der Quote von 3.5 auf 3.8 Prozent beobachten können. Das ist historisch betrachtet immer noch tief, aber eben auch ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Wirtschaft abkühlen könnte. Daneben ist die Inflation zwar anhaltend höher als die Notenbank dies gerne hätte, doch die Situation hat sich dort ebenfalls abgekühlt. Die Zentralbank wird also mit grosser Wahrscheinlichkeit die Zinsen im September nicht weiter erhöhen. Ich kann mir vorstellen, dass die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner im Sommer so viel Geld ausgegeben haben, dass jetzt erst einmal Sparen angesagt sein wird. Das würde dann zu einer Abkühlung der US-Wirtschaft führen und weitere Zinserhöhungen überflüssig machen.