Wie könnte die Situation weiter eskalieren?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie sich die aktuelle Situation entwickeln kann. Neben den bereits betroffenen Banken könnten weitere Institute mit nicht realisierten Verlusten auf Obligationen zu kämpfen haben. Nach Angaben der zuständigen US-Behörde beliefen sich die nicht realisierten Verluste bei US-Banken Ende 2022 auf 620 Mrd. US-Dollar. Die entscheidende Frage ist, ob diese Institute das Risiko abgesichert haben. Falls nicht, könnten sie allenfalls gezwungen sein, Vermögenswerte zu veräussern und damit Verluste zu realisieren. Selbst wenn die nicht realisierten Verluste keine weiteren Probleme verursachen, könnten weitere Institute aus anderen Gründen in Schwierigkeiten geraten.
Die aktuellen Probleme im Bankensektor zeigen deutlich auf, dass Zinserhöhungen nicht spurlos am Finanzsystem vorbei gehen. Eine schwerwiegendere Krise entwickelt sich allerdings erst, wenn Kreditrisiken auftreten, sprich: wenn die Kreditausfallraten ansteigen. Dies lässt sich aktuell nicht beobachten. Das globale Bankensystem ist zudem viel besser kapitalisiert als in der Vergangenheit.
Was bedeutet das für die Geldpolitik?
Die Situation für die Notenbanken wird nicht einfacher. Einerseits bestehen nach wie vor Inflationsrisiken, andererseits haben die jüngsten Entwicklungen die Sorgen über die Stabilität im Finanzsystem deutlich erhöht. Die Finanzmärkte erwarten von der US-Notenbank bereits im Sommer erste Zinssenkungen.
Unserer Meinung nach hat die Inflationsbekämpfung aber weiterhin oberste Priorität. Der jüngste Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank unterstreicht dieses Vorgehen der Notenbanken. Im Wochenverlauf erwarten wir deshalb von der US-Notenbank sowie von der Schweizerischen Nationalbank weitere moderate Zinserhöhungen. Für eine geldpolitische Kehrtwende ist es noch zu früh.
Zinssenkungen zum jetzigen Zeitpunkt könnten die Glaubwürdigkeit in der Inflationsbekämpfung aufs Spiel setzen und für erneute Verunsicherung sorgen. Insbesondere die US-Notenbank möchte die hohe Inflation mit allen Mitteln reduzieren. Auch wenn die genauen Auswirkungen der jüngsten Ereignisse auf die Geldpolitik unklar sind, werden die Notenbanken in der kurzen Frist die Zinsen kaum reduzieren. Die aktuellen Unsicherheiten werden aber zu einem vorsichtigeren Vorgehen seitens Notenbanken führen. Das Zinsanstiegspotential hat sich somit reduziert.
Was bedeutet das für das Wirtschaftswachstum?
Banken spielen in modernen Volkswirtschaften eine wichtige Rolle. Bankenkrisen haben somit beträchtliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung. Diese können sich über eine Vielzahl an Kanälen auswirken. Bankenzusammenbrüche können zum Beispiel den Zahlungsverkehr stören. Das Einfrieren von Einlagen führt dazu, dass Unternehmen und Haushalte keinen Zugang zu Geldmitteln haben, um Zah-lungen zu leisten. Weiter können Bankenkrisen zu Kosten-senkungsmassnahmen und einem Stellenabbau führen. Zu-dem können Liquiditätsengpässe die Kreditvergabe an die Gesamtwirtschaft einschränken.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Bankenkrisen die Wirtschaftsleistung in der Regel schwer getroffen haben. Schätzungen beziffern den Rückgang der Wirtschaftsleistung auf fünf bis zehn Prozent. Eine Vielzahl anderer Branchen ist zudem eng mit dem Verlauf im Finanzdienstleistungssektor verbunden. Spillover-Effekte sind somit unvermeidbar.
Mit dem entschlossenen Eingreifen der Notenbanken in der aktuellen Situation sollte eine grössere Krise verhindert werden können. Nicht vermeiden lässt sich allerdings, dass der bereits vorhandene Gegenwind für die Weltwirtschaft stärker wird. Die bereits rückläufige Kreditvergabe wird die Unternehmensinvestitionen und im Endeffekt auch das Wirtschaftswachstum weiter belasten. Die Anzeichen für eine Rezession verdichten sich.
GKB Einschätzung
Grundsätzlich beinhaltet eine Bankenkrise systemische Kredit- und/oder Liquiditätsprobleme. Was wir bisher bei den betroffenen Banken gesehen haben, ist eine Ansammlung verschiedener isolierter Probleme. Das einzige allgemeine und zum jetzigen Zeitpunkt sichtbare Problem ist, dass einige Banken auf nicht realisierten Verlusten bei Obligationen sitzen. Die meisten Banken haben ihr Engagement in Bezug auf höhere Renditen weitgehend abgesichert. Daher erkennen wir kein systemisches Problem.
In unserem Basisszenario gehen wir deshalb davon aus, dass eine systemweite Krise in der Grössenordnung von 2008 vermieden wird. Die Zinserhöhungen haben aber grössere wirtschaftliche Bremseffekte als die Währungshüter bisher angenommen haben. Wir rechnen deshalb auch in den kommenden Wochen mit einer erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten und bleiben vorsichtig positioniert.