Eine Sommerpause gab es für die Finanzmärkte dieses Jahr nicht – Wirtschaftsdaten, Fiskalpolitik und der Nahostkonflikt sorgten für Volatilität. Gleichzeitig läuft die Berichtssaison zum ersten Halbjahr 2024. Aleksandar Vlaisavljevic, inwiefern hängt die Berichtssaison mit den aktuellen Marktturbulenzen zusammen?
Die schlechten Wirtschaftsdaten haben Anlegerinnen und Anleger verunsichert. Dabei ist die Berichtsaison in den Hintergrund geraten. Nun konnten sich die Märkte beruhigen und die Aufmerksamkeit gilt wieder den Unternehmen. Langfristig betrachtet sind Unternehmensgewinne nämlich der grösste Treiber der Aktienmärkte. In den USA haben über 90 Prozent der Unternehmen im S&P500 ihre Quartalsbilanzen veröffentlicht. Mehr als drei Viertel übertrafen dabei die Gewinnerwartungen. Die restriktive Geldpolitik macht sich bei den Unternehmen aber in Form von höheren Kosten und einer schwächeren Nachfrage der Konsumenten bemerkbar, deshalb erfüllten nur 60 Prozent der Unternehmen die Umsatzerwartungen.
Was sind die Unterschiede in den einzelnen Sektoren?
Das höchste Gewinnwachstum verzeichneten die Sektoren Finanzen, Gesundheit, Technologie sowie Versorger. Banken profitieren von den hohen Zinsen, der robusten Nachfrage nach Krediten und den gut laufenden Finanzmärkten. Die Unternehmen im Gesundheitssektor profitieren von hohen Margen und hohen Umsätzen mit Diabetes-Medikamenten. Der Technologiesektor profitiert trotz grosser KI-Investitionen von hohen Margen. Unternehmen im Sektor Versorger profitieren von sinkenden Zinsen und einer höheren Stromnachfrage der Rechenzentern aufgrund des KI-Trends.
Wie haben Schweizer Unternehmen im ersten Halbjahr abgeschnitten?
Der Schweizer Aktienmarkt bietet viel Qualität. Die eher defensive Marktstruktur dämpft grundsätzlich die Verluste in einer sich abschwächenden Wirtschaft. Nichtsdestotrotz kämpfen Schweizer Unternehmen vor allem mit drei Faktoren. So verteuert der starke Franken die Exporte. Die Konsumschwäche aus China belastet Luxusgüterhersteller (beispielsweise Richemont und Swatch). Zudem leidet die Schweiz unter dem schwachen Industriesektor in Europa, insbesondere mit Blick auf Deutschland.
«Wir sehen aktuell Chancen bei defensiven Value-Titeln.»
Welche Trends lassen sich aktuell erkennen und wo seht ihr Chancen auf der Aktienseite?
Die Zinssenkungserwartungen in den USA sorgten zuletzt für einen ersten Rotationsversuch: Anlegerinnen und Anleger trennten sich von hochbewerteten Technologieaktien und zinssensitiven Sektoren. Kleinkapitalisierte Unternehmen starteten ihre Aufholjagd. Die grossen Tech-Titel dürften ihr hohes Gewinnwachstum von 30 bis 60 Prozent langfristig nicht aufrechterhalten können, weshalb wir mit einer Konvergenz beim Gewinnwachstum in den nächsten Quartalen rechnen. Infolgedessen wird die Marktbreite zunehmen. Für Small Caps ist es unserer Meinung nach noch ein wenig zu früh. Wir sehen eher Chancen bei defensiven Value-Titeln. Die Sektoren Versorger, Immobilien und Basiskonsum dürften von sinkenden Zinsen besonders profitieren. Diese Sektoren leiden weniger unter einem sich abschwächenden Konsum, da die Nachfrage und damit auch die Margen und die Cashflows stabiler bleiben.