Berichtssaison: Der Start lässt hoffen

Datum: 02.05.2023 

​Die Anlage-Experten der Graubündner Kantonalbank informieren im GKB Anlage-Fokus wöchentlich über das aktuelle Finanzgeschehen. Gemeinsam mit Jens Korte werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf die Wall Street.​​​​



Die Berichtssaison läuft noch. Im Fokus stehen vor allem die Quartalszahlen der grossen Technologiekonzerne. Jens Korte, was für ein Fazit können wir soweit ziehen?

Jens Korte: In der laufenden Berichtssaison zeichnet sich  ab, dass die Geschäfte im ersten Quartal 2023 wieder besser laufen. Das gilt zum Beispiel für die Muttergesellschaft von Facebook, Meta und für Alphabet, den Mutterkonzern von Google. Trotz guter Zahlen im ersten Quartal zeigt es sich, dass das Geschäft mit Online-Werbeanzeigen stagniert. Auch die beiden Social Media Unternehmen Pinterest und Snap kämpfen mit Problemen beim Verkauf von Werbeanzeigen und ihre Aktien sind letzte Woche an der Börse nochmals massiv unter Druck gekommen. 

Daneben ist Amazon noch eine Notiz wert. Das Unternehmen hatte 2022 den höchsten Jahresverlust der Unternehmensgeschichte ausgewiesen. Jetzt geht es bei Amazon wieder aufwärts. Allerdings hat die Wall Street negativ auf die Veröffentlichung der Quartalzahlen reagiert, weil der Bereich Cloud Computing – eine der profitabelsten Sparten von Amazon – ​in Zukunft wohl weniger stark wachsen wird. Dies vor allem weil viele Firmenkunden aufgrund der hohen Inflation, der steigenden Zinsen und einer drohenden Rezession beim Ausbau ihrer Cloud-Infrastruktur zurückhaltender agieren.


Jetzt haben natürlich nicht nur Tech-Unternehmen Zahlen gemeldet. Was ist Ihnen ansonsten bei der Berichtssaison besonders ins Auge gestochen?

Jens Korte: Wenn es in einer Branche sehr gut läuft, dann im Tourismus. Das hat sich auch bei den Quartalszahlen der grossen US-Fluggesellschaften gezeigt. Deren Abschlüsse widerspiegeln ein starkes Wachstum. Trotzdem kommen die Aktien der Airlines seit der Pandemie nicht richtig in Schwung.

Auch die Kreditkartengesellschaften Visa und Mastercard haben Quartalszahlen gemeldet, die besser waren als erwartet. Einer der Hauptgründe ist, dass die Menschen wieder mehr reisen, Flüge und Hotels buchen.

Ein weiteres Thema der Berichtssaison sind die steigenden Kosten für Rohstoffe, Personal und Energie. Allerdings stehen den höheren Kosten auch oft höhere Einnahmen gegenüber. So haben zum Beispiel der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble sowie auch Pepsi und Coca Cola ihre Preise teilweise massiv angehoben. Das stützt die Profite der Unternehmen, treibt aber auch die Inflation an, was wiederum zu neuen Zinserhöhungen führen könnte. Und damit sind wir beim Thema einer möglichen Rezession. 


Was beschäftigt die Investoren an der Wall Street derzeit nebst der Berichtssaison?

Jens Korte: Eine der grossen Fragen, ist diejenige einer möglichen Rezession. Im ersten Quartal ist die US-Wirtschaft um 1.1 Proz​ent gewachsen, das war aber nur rund halb so viel wie erwartet wurde. Heisst wiederum, die US-Wirtschaft kühlt sich ab, eine Rezession ist nach wie vor möglich, lässt aber auf sich warten.

Der Arbeitsmarkt ist weiterhin eine wichtige Stütze für die Wirtschaft. Wir hören zwar anekdotisch immer mehr Meldungen über Massenentlassungen, zuletzt zum Beispiel bei der Bekleidungskette GAP oder auch beim alternativen Fahrdienst im Lift. Aber solange der Arbeitsmarkt stark läuft – und das tut er aktuell noch – kann die amerikanische Wirtschaft vielleicht eine Rezession verhindern. Aus Sicht der Anleger bin ich der Meinung, dass eine mögliche Rezession noch nicht in die Aktienkurse eingepreist ist.​​




Gemeinsam wachsen.