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«Die Wall Street wünscht sich Zinssenkungen.»

Datum: 09.01.2024 

​​​​​​​​​​​​​​​​​Die Anlage-Experten der Graubündner Kantonalbank informieren im GKB Anlage-Fokus wöchentlich über das aktuelle Finanzgeschehen. Gemeinsam mit Jens Korte werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf die Wallstreet. 



Jens Korte, 2023 war vor allem für die US-Aktienmärkte ein starkes Börsenjahr. Vor dem Wochenende gab es neue Zahlen zum Arbeitsmarkt. Wie ist die Stimmung auf dem Parkett? 
Im Jahr 2023 ist ein Traumszenario eingetroffen, dementsprechend gut lief es an den amerikanischen Aktienmärkten: Die Investoren an der Wall Street sind der Meinung, dass die Zeit der Zinserhöhungen vorbei ist und wir uns nun auf Zinssenkungen fokussieren können. Zudem herrscht die Annahme, dass eine Rezession vermieden werden kann und der amerikanischen Wirtschaft in diesem Jahr ein «Soft Landing» gelingt, mit einem moderaten Wirtschaftswachstum. Schauen wir uns dieses Szenario an: Wir haben gerade neue Zahlen vom amerikanischen Arbeitsmarkt bekommen – 216'000 neue Stellen wurden im Dezember geschaffen. Das waren rund 40'000 Stellen mehr als erwartet. Die Arbeitslosenquote liegt unverändert auf historisch tiefen 3.7 Prozent. Es ist bereits der 23. Monat in Folge, in welchem die Arbeitslosenquote unter vier Prozent liegt. Insofern könnte man sagen: So weit so gut, was das Wirtschaftsszenario in den USA anbelangt. 

Massgeblich für diese Entwicklung war vor allem die Erwartung von Zinssenkungen. Ändert sich nach den robusten Daten vom Arbeitsmarkt etwas am Ausblick? 
Wie heisst es so schön: «Never fight the FED» – man soll sich also niemals gegen die Notenbank stemmen. Angenommen es gibt dieses Jahr mehrere Zinssenkungen, wäre das potenziell positiv für die Aktienmärkte. Allerdings ist die Fantasie vielleicht etwas zu sehr in die Höhe geschossen oder, bezogen auf die Zinsen, in die Tiefe. Die Wall Street hatte zuletzt rund sechs Zinssenkungen eingepreist für dieses Jahr. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich zu sechs Senkungen kommen wird. Denn mit diesem starken Arbeitsmarkt im Rücken hat die US-Notenbank eigentlich keinen Anreiz, schon im März eine Zinssenkung vorzunehmen. Persönlich glaube ich, dass es die sechs Zinssenkungen nur dann geben wird, wenn die amerikanische Wirtschaft stark abkühlt – und das wiederum wäre nicht so positiv für die Börsen. Das Jahr hat jedoch gerade erst angefangen, da sollten wir noch nicht zu viel in die Geldpolitik hineininterpretieren.

Der Start ins Börsenjahr 2024 ist durchwachsen ausgefallen. Worauf schauen die Händler jetzt in New York? 
Das Börsenjahr hat an der Wall Street etwas harzig begonnen. Gerade Technologieaktien standen stärker unter Druck. Allerdings stieg der Nasdaq Composite im letzten Jahr um über 43 Prozent. Es war zu erwarten, dass mit dem Jahreswechsel ungemütlichere Tage kommen werden. Kurzfristig dürfte viel davon abhängen, wie sich die Berichtssaison entwickelt. Diese beginnt Ende Woche mit den Geschäftszahlen der Banken. In rund zwei Wochen wird es richtig spannend, wenn die Technologieunternehmen ihre Geschäftszahlen vorlegen. Eines ist meiner Meinung nach jetzt schon klar: Mit den starken Kursgewinnen aus dem Vorjahr müssen die amerikanischen Unternehmen gute Zahlen liefern. Das heisst, die Gewinnzahlen und -aussichten müssen stimmen, um die zuletzt doch recht hohen Kursgewinne zu rechtfertigen. Im Börsenjahr 2024 werden wir wohl nicht mehr eine Rallye wie im letzten Jahr sehen. Anlegerinnen und Anleger dürften insgesamt selektiver vorgehen.
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