«Unterbrechungen in der Schifffahrt werden den Inflationsverlauf kaum beeinflussen.»
Die Unterbrechung des Seetransits durch das Rote Meer führt aktuell zu einem deutlichen Rückgang der Handelsvolumen durch den Suez-Kanal. Im Januar haben 80 Prozent weniger Containerschiffe den Suez-Kanal passiert. Bereits im vergangenen Dezember war die Anzahl verschiffter Container deutlich eingebrochen. Anstatt durch das Rote Meer, fahren die Containerschiffe aktuell um Afrika. Damit verlängert sich die Lieferzeit von Produkten aus Asien, wobei insbesondere Europa betroffen ist. Die Handelsrouten in die USA sind robust – zudem ist derjenige Teil des Konsums in den USA, welcher auf Importen basiert, tiefer als in Europa. Die verlängerte Fahrzeit von Asien nach Europa erhöht die Transportkosten. Es stellt sich die Frage, inwiefern die aktuellen Entwicklungen im Roten Meer einen Einfluss auf die Inflation haben.
Eines ist klar: Die Frachtpreise müssten deutlich höher steigen, um einen spürbaren Einfluss auf die globale Inflation zu haben. Entscheidend für die Inflation sind die gesamten Schifffahrtskosten. Die weltweiten Schifffahrtskosten bestehen aus vertraglichen Raten für Zeiträume von einem Jahr oder mehr. Die aktuell erhöhten Kosten haben somit wenig Einfluss. Selbst wenn die Transportkosten weiter steigen, ist es unwahrscheinlich, dass sie sich auf einer gesamtwirtschaftlichen Ebene bemerkbar machen.
Die aktuellen Entwicklungen bei den Lieferketten erinnert an die Engpässe während und nach der Corona-Pandemie. Doch die Situation ist nicht vergleichbar: Während der Pandemie war die Nachfrage nach bestimmten Gütern deutlich erhöht. Aktuell präsentiert sich die Wirtschaftslage – insbesondere in Europa – schwächer, die Nachfrage nach Gütern insgesamt nimmt ab. Das gleiche Bild zeigt eine Analyse der globalen Handelsdaten, welche einen Rückgang der weltweiten Seefracht anzeigt. Zudem sind die Lagerbestände der Unternehmen heute gut gefüllt. Dies schwächt die Preisgestaltung der Unternehmen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt zudem, dass solche Kostensteigerungen entlang der Lieferkette absorbiert werden.
Aus unserer Sicht sind die globalen Lieferketten und die Logistiknetze der Unternehmen gut aufgestellt, um dem aktuellen Druck standzuhalten. Das Risiko einer weiteren Verknappung der Güter und einem erneuten Inflationsanstieg ist somit gering. Das Risikoszenario besteht darin, dass die geopolitische Situation weiter eskaliert. Sollten in diesem Zusammenhang die Rohölpreise deutlich ansteigen, könnte dies die Inflationsentwicklung negativ tangieren. Die Preise für Rohöl notieren derzeit allerdings tiefer als im letzten Herbst.
Die Unterbrechung der Schifffahrt ist einer von vielen Faktoren, welche die Notenbanken bei der Diskussion zur ersten Zinssenkung in Betracht ziehen. Angesichts der gedämpften globalen Nachfrage erwarten wir, dass die Notenbanken in diesem Jahr mit Zinssenkungen beginnen werden.