Jens Korte, der Arbeitsmarkt in den USA läuft weiterhin gut. Was sind die Kernaussagen des neusten Arbeitsmarktberichts?
Tatsächlich sind die Zahlen zum Arbeitsmarkt sehr gut ausgefallen – im Mai haben die US-Firmen und der Staat 339‘000 neue Stellen geschaffen. Die Wall Street hatte lediglich mit 190‘000 neuen Stellen gerechnet. Trotz des Wachstums an Stellen ist die Arbeitslosenquote leicht gestiegen, und zwar von 3.4 Prozent im April auf 3.7 Prozent im Mai. Allerdings sind wir auf einem sehr tiefen Niveau, die Quote im April war die tiefste seit 1969. Insgesamt zeigt sich der US-Arbeitsmarkt somit weiterhin enorm widerstandsfähig.
Für die Finanzmärkte ist vor allem wichtig, was diese Entwicklung für die Notenbank bedeutet. Müssen wir, nicht zuletzt wegen dieses Berichts, nächste Woche nochmals mit einem Zinsanstieg rechnen?
Die Diskussion drehte sich hier vor allem darum, ob die US-Notenbank sich als nächstes für «skip» oder «pause» entscheidet. «Skip» würde heissen, dass man einen Zinsschritt auslassen würde, um dann allenfalls später im Jahr nochmals einen oder zwei Zinsschritte anzukündigen. «Pause» würde eher bedeuten, dass die Phase der Zinserhöhungen vorbei ist, und dass beim nächsten oder übernächsten Zinsentscheid der Leitzins wieder sinkt.
Nach diesen sehr guten Arbeitsmarktzahlen sind die Wetten auf einen nächsten Zinsschritt Mitte Juni leicht gestiegen. Insgesamt rechnen die Marktteilnehmenden hier an der Wall Street aber mit einem «skip» – also mit keiner weiteren Zinserhöhung im Juni. Entscheidend ist jedoch nicht, ob wir noch eine oder zwei Zinserhöhungen sehen werden, sondern wann die US-Notenbank die erste Zinssenkung ankündigt, und aus welchem Grund sie dies tut. Eine drohende Rezession wäre ein solcher Grund. Und eine solche ist aktuell an den Märkten definitiv noch nicht eingepreist, dafür sind die Kurse nach wie vor zu hoch.
Immerhin hat sich der Konflikt in Washington um die Schuldenobergrenze gelöst. Wie gross ist die Erleichterung, sowohl politisch wie auch an den Finanzmärkten?
Die Erhöhung der Schuldenobergrenze kam überraschend schnell zu Stande. Wichtig zu wissen: Diese Schuldenobergrenze wird erst seit der Präsidentschaft von Barack Obama als politisches Druckmittel eingesetzt. Seither ist dieses Instrument eine politische Waffe der Republikaner, entsprechend wurden die Demokraten auch bei dieser Erhöhung teilweise von der Gegenpartei erpresst. Für die Wall Street allerdings spielen diese politischen Manöver keine grosse Rolle; für die Finanzmärkte ist es wichtig, dass diese Drohkulisse einer möglichen Zahlungsunfähigkeit des Staates USA gebannt ist. Dies ist zumindest bis Januar 2025 der Fall, bis dann wird die Schuldenobergrenze ausgesetzt.