Die Konsumentinnen und Konsumenten in den USA trotzen den höheren Zinsen regelrecht, wie ist das möglich?
Der Konsum ist in der Tat der entscheidende Faktor für das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten. Ein Vergleich mit der Schweiz zeigt das auf anschauliche Weise: Hier kommen 70 Prozent des Bruttoinlandproduktes vom Export. In den USA ist es genau andersrum: rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen aus dem Konsum. Und dieser ist erstaunlich stabil. Ein Beispiel: In den letzten Monaten war Taylor Swift auf grosser Tournee und sie hat allein in den USA über zwei Milliarden Dollar eingespielt. Die Konsumausgaben, also Flüge, Hotels und Gastronomie rund um die einzelnen Konzerte, wurden durch die Tournee um rund fünf Milliarden Dollar angekurbelt.
Aber auch unabhängig vom Taylor-Swift-Rummel haben die Amerikanerinnen und Amerikaner mehr Geld ausgegeben, als prognostiziert war. Am Ende aber steht und fällt alles mit dem Arbeitsmarkt und dieser ist ebenfalls immer noch sehr solide. Aktuell sehen wir eine der geringsten Arbeitslosenquoten in den USA seit Ende der 60er-Jahre. Und wenn die Leute das Gefühl haben, der Job sei einigermassen sicher, dann ist auch die Bereitschaft Geld auszugeben grösser, und das hilft der Wirtschaft insgesamt.
Entsprechend solide zeigte sich der US-Arbeitsmarkt. Gibt es hier Anzeichen für eine Veränderung, dass zum Beispiel die Arbeitslosenquote steigen könnte?
Die Erhebungen zum Arbeitsmarkt zeigen solide Zahlen. Im September zum Beispiel wurden in den USA über 300'000 neue Jobs geschaffen, was deutlich über den Erwartungen liegt. Erste Risse zeigen sich allerdings in einzelnen Branchen, vor allem im Technologiesektor wurden Jobs abgebaut. Allerdings wurden während der Pandemie vor allem in der Digitalindustrie geschaffen. Aber es sind trotzdem Indikatoren dafür, dass in diesen Branchen das Wachstum zurückgeht.
Der Konsum läuft gut, die Aktienmärkte haben auch leicht ins positive gedreht, wie sind die Chancen für eine Aktienrally zum Jahresende?
Wir wissen aus der Vergangenheit, dass wir die geopolitischen Unsicherheiten, allen voran die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine, ausklammern können, weil sie an den Aktienmärkten keine grosse Rolle spielen. Insofern sieht die Situation für eine Jahresendrally nicht schlecht aus. Vorausgesetzt, dass die amerikanischen Konsumentinnen und Konsumenten auch zum Weihnachtsgeschäft, das jetzt in den USA anläuft, spendabel bleiben. Zudem spielen die Zinspolitik der Notenbank und die Unternehmenszahlen zum dritten Quartal eine entscheidende Rolle. Wenn weder die Notenbank noch die Unternehmen mit bösen Überraschungen aufwarten, dann stehen die Zeichen für eine Börsenrally zum Jahresende gut.