Der turbulente Wahlkampf in den USA geht in die nächste Runde. Viel deutet aktuell daraufhin, dass Kamala Harris gegen Donald Trump antreten wird. War Trump in Umfragen bis vor Kurzem noch der klare Favorit, wird es mit dem Verzicht von Biden wieder spannender um die Präsidentschaftswahl. Allgemein haben Wahlen nur dann signifikante Auswirkungen auf die Wirtschaft, wenn die Regierung grosse Strukturreformen in Angriff nimmt oder in die Geldpolitik eingreift. In einem Showdown Harris vs. Trump ginge es um zwei radikal verschiedene Amerikas mit Konsequenzen für Branchen und Fiskalpolitik.
Im Gegensatz zu 2016 wäre Trump nun vorbereitet, um zu regieren. Sein Wahlprogramm ist im Wesentlichen eine Fortsetzung seiner vormaligen Präsidentschaft. Tiefe Steuern, lockere Regulierung, strenge Migrationspolitik und Handelsschranken für ausländische Unternehmen. Diese Punkte hätten wohl ein steigendes Haushaltsdefizit, Staatsschulden und erhöhte Inflation zur Folge, was zu Zinserhöhungen führen könnte. Staatsschulden und Schuldendienst in den USA sind aber bereits hoch. Durch weniger Einnahmen und höhere Zinsen würde sich das Problem weiter akzentuieren.
«Falls die Zölle hochgefahren werden, verlieren alle!»
Insbesondere bei den Handelsschranken will Trump zulegen. Er hat angekündigt, nicht nur China mit neuen Zöllen zu belegen, sondern einen generellen Zoll von 10 Prozent auf Importe aus anderen Ländern erheben zu wollen. Dabei hat er vor allem Europa im Visier. Diese Abkehr vom freien Welthandel dürfte zu substanziellem Widerstand aus der Wirtschaft führen. Falls die Zölle hochgefahren werden, verlieren alle! Handelsschranken treffen die Bevölkerung am härtesten, denn Unternehmen geben Zölle mittels Preiserhöhungen einfach weiter. Ein Europa-Zoll wäre auch in der Schweiz spürbar. Die USA sind der wichtigste Handelspartner der Schweiz.
Harris ist die Antithese zu Trump. In den USA macht bereits die Schlagzeile "die Anklägerin gegen den Kriminellen" die Runde. Seit Bidens Verzicht konnte sich Harris noch nicht von Bidens Wahlprogramm emanzipieren. Sie scheint insbesondere in der Wirtschafts- und Klimapolitik über weite Teile ähnliche Ansichten zu vertreten – es wäre also eine gewisse Kontinuität gegeben. Als Vizepräsidentin war Harris auch an Bidens Politik mitbeteiligt. Die 59-Jährige gilt als Verfechterin erneuerbarer Energien und technologievertraut.
Eine grosse Chance für Harris bestünde darin, der Wirtschaft und den vielen Aktionären in den USA deutlich zu machen, dass Zölle auf weltweite Importe die Inflation anheizen und der Bevölkerung schaden. Dabei darf man nicht vergessen, dass auch die Regierung Biden bestehende Zölle gegen China verschärfte.
Welche Person oder Partei in den USA regiert, ist für die Aktienmärkte weniger entscheidend. Auf Sektorenebene gibt es aber starke Divergenzen. Sollten die Demokraten das Weisse Haus halten können, bestünde Kontinuität, und die Unterstützung für die Wende zu erneuerbaren Energien dürfte weitergehen. Sollten die Republikaner das Ruder an sich reissen, dann würden niedrige Steuern und Deregulierung die Märkte ebenfalls beflügeln. Doch höhere Handelsschranken und Zölle, insbesondere gegen China, drohen der Wirtschaft zu schaden, was zu Widerstand ebendieser führen könnte.