Jens Korte in New York, wir haben grosse Turbulenzen im US-Bankensektor gesehen. Unter anderem ging im März die Silicon Valley Bank Konkurs. Hat sich die Lage in den USA wieder beruhigt?
Zuletzt hat sich die Situation rund um die Banken in den USA tatsächlich etwas beruhigt. Allerdings zeigt sich das schwindende Vertrauen nach wie vor im Verlauf gewisser Aktienkurse: Die Valoren der First Republic Bank standen vor gut einem Monat noch bei 140 US-Dollar, jetzt ist eine Aktie nur noch rund 14 US-Dollar wert. Die Krise ist also noch nicht ausgestanden, das Vertrauen zerrüttet. Dieses Vertrauen muss wieder aufgebaut werden und das braucht Zeit. Die getroffenen regulatorischen Massnahmen helfen mit Sicherheit, so haben sowohl der Staat wie auch andere Banken den angeschlagenen Instituten Kreditlinien zur Verfügung gestellt. Der First Republic Bank zum Beispiel stehen 30 Milliarden US-Dollar an Krediten zur Sicherung der Liquidität zur Verfügung. Diese und andere Massnahmen haben den Markt etwas beruhigt, die Probleme aber sind damit noch nicht gelöst.
Stimmt der Eindruck, dass vor allem die Kundinnen und Kunden von kleineren Banken ihr Geld abgehoben und anderweitig platziert haben?
Dem ist so und es ist ein interessanter Unterschied zur Schweiz: Hier in den USA ziehen die Kundinnen und Kunden ihre Gelder vorwiegend bei kleineren Banken ab. Ein Grund ist sicherlich, dass die grossen Erschütterungen in den USA von Kleinbanken ausgehen, die das Management ihrer Liquidität nicht im Griff haben. Anders in der Schweiz, wo die Credit Suisse als Grossbank nun vom Markt verschwindet – die Krisen haben also unterschiedliche Ursachen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Grossbanken in den USA unter Druck geraten. Denn einige Fonds im Bereich der Finanzierung kommerzieller Immobilien sind in Schwierigkeiten geraten oder mussten sogar aufgelöst werden.
Wie sehen Sie den allgemeinen Ausblick für die Wall Street im zweiten Quartal?
Der April beginnt und damit stehen die Berichte zum ersten Quartal des Jahres an. Dabei wird sich zeigen, ob die amerikanischen Unternehmen weiterhin mit relativ hohen Kosten kämpfen und ob sie die Preise tendenziell anheben. Tun sie dies, ist das ein nicht zu unterschätzender Treiber für die Inflation.
Die amerikanische Notenbank hatte vor kurzem den Leitzins angehoben – zum neunten Mal in Folge. Gleichzeitig hat sie angedeutet, dass nur noch eine weitere Zinserhöhung bevorstehen soll. Das war nicht zuletzt auch ein Signal der Beruhigung für die Märkte. Denn die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs ist eindrücklich: Anfang März 2022 lag der Leitzins praktisch bei null, heute ist er bei fünf Prozent. Und in den USA sagt ein Sprichwort: «When things move fast, things break.» Wenn sich Dinge zu schnell bewegen, dann zerbrechen sie. Eine Situation, die wir zurzeit bei den US-Regionalbanken beobachten können. Bleibt zu hoffen, dass dieses Szenario nicht auf die ganze Wirtschaft überschwappt und wir an einer Rezession vorbeikommen.