"Die Argumente für ein Ende der expansiven Geldpolitik in Japan überwiegen."
Die Japanische Notenbank (BoJ) ist die einzige Notenbank, die seit Jahrzehnten praktisch ohne Abstriche an der expansiven Geldpolitik festhält. Seit 2016 liegen die Leitzinsen sogar im negativen Bereich. Die BoJ versuchte damit Preisstabilität zu gewährleisten und das Wirtschaftswachstum durch günstige Kredite zu beschleunigen. In der Folge führten die tiefen Zinsen dazu, dass die BoJ beinahe die Hälfte des japanischen Obligationenmarktes besass und sich massiv verschuldete.
Bei der Preisstabilität zeigten die niedrigen Zinsen in der Vergangenheit ihre Wirkung. Die Inflation blieb weitestgehend stabil. Nun zeichnet sich eine Möglichkeit zum Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik ab. Die Inflation Japans ist im letzten Jahr auf knapp über vier Prozent angestiegen – der höchste Wert seit 40 Jahren! Damit zogen auch die Löhne an. Das erhöht den Druck auf die BoJ, die expansive Geldpolitik zu beenden. Wenn die Löhne weiter ansteigen, könnten Unternehmen die Steigerung der Personalkosten in Form von Preiserhöhungen an die Endkonsumenten weitergeben, womit die Inflation wieder ansteigen würde. (Lohn-Preis-Spirale)
Hohe Inflationszahlen gepaart mit dem demographischen Problem Japans könnten sich verheerend auswirken. Im Jahr 2022 ist die Bevölkerung bereits das 14. Jahr in Folge um ca. 800'000 Einwohner geschrumpft. (Zum Vergleich: Das sind vier Mal die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Graubünden.) Schlechte Aussichten für eine Volkswirtschaft, die 70 Prozent seines Bruttoinlandproduktes aus Dienstleistungen generiert – ein Sektor, in dem es traditionell viel Personal braucht.
Dies zeigt sich auch im Wirtschaftswachstum. Japans Bruttoinlandsprodukt verzeichnete das zweite Mal in Folge einen Rückgang. Der private Konsum sowie die Unternehmensinvestitionen sind rückläufig. Der Wachstumsausblick fürs laufende Jahr bleibt verhalten. Die Abkehr von der expansiven Geldpolitik dürfte deshalb langsam erfolgen. Ein zu rascher Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik könnte die Wirtschaftsaktivitäten zu stark negativ beeinflussen.
Die BoJ befindet sich somit in einem Dilemma: Höhere Zinsen bedeuten höhere Ausgaben. Gleichzeitig versucht Japan, den demographischen Wandel so gut es geht abzufedern. Dafür braucht es harte Budgeteinschnitte, ansonsten droht der Regierung Handlungsunfähigkeit wegen Geldmangels. Andererseits müssen kluge Wirtschaftsanreize gesetzt werden, dass die Wirtschaft trotz höherer Zinsen prosperieren kann.
Aus unserer Sicht überwiegen die Argumente für ein Ende der expansiven Geldpolitik. Mit Japans schwachem Wirtschaftswachstum wäre eine Zunahme der Inflation für die Bevölkerung mit einem grossen Wohlstandsverlust verbunden. Die BoJ muss jedoch aufpassen, dass sie ihren finanziellen Verpflichtungen auch in Zukunft nachkommen kann. Der riesige Schuldenberg und die verhaltenen Wirtschaftsaussichten aufgrund der alternden Bevölkerung lassen nur wenig Spielraum für Zinserhöhungen.
Die nächste Sitzung der BoJ findet am 19. März 2024 statt.